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same odd story ..

Gestern habe ich mich verirrt. Mein Orientierungssinn ist schlecht, das passiert mir öfter. Ich wollte jemanden erreichen, der mir wichtig ist. Beim ersten Mal hörte ich es ein paar Mal läuten, dann ertönte das Besetztzeichen. Ich ging weiter, in Gedanken verloren. Warum hat er nicht abgehoben? Der Weg war ziemlich matschig, es hatte lange und heftig geregnet. Ich weiß, dass ich nicht noch einmal anrufen soll. Ich will nicht darüber nachdenken, ob ich jemanden anrufen soll oder nicht. Ich bin zu müde für solche Spiele. Sie machen nicht immer Spass. Ich rufe doch noch einmal an. Es ist wie eine Wette mit mir. Wenn er abhebt, habe ich verloren. Es läuft die Mobilbox. Warum? Ich weiß, dass es völlig sinnlos ist, darüber nachzudenken. Er kann tun, was er will. Ich habe keine Ahnung, was er tut. Es ist dumm, sich ihn mit einer anderen vorzustellen. Ich habe schon zu viel gesagt, zugegeben, dass es mir wehtun würde, wenn er geht. Du verschwendest deine Zeit, Klara. Du hast keine Ahnung, Mama. Das ist mein Problem.
Er hat mir ein Buch gegeben. Die Frau darin löst sich am Ende auf. Diese Frau lebt nur durch die Gedanken des Erzählers. Manche Dinge spricht man besser nicht aus. Auf Fragen bekommt man Antworten. Auch wenn sie einem nicht gefallen. Ich bin immer weiter gegangen, ich bin vom Weg abgekommen. Umwege erhöhen die Ortskenntnis, das hab ich sogar einmal zu meiner Signatur gemacht. Jede Menge Kratzer hab ich mir geholt, und ganz nasse Hosen auf dem Weg durchs Unterholz. Dann stehen die Bäume nicht mehr so dicht, aber ich weiß nicht so recht, wo ich bin. Ich weiß nicht, woran ich bin. Leb jetzt, Klara, leb jetzt. Ich vermisse ihn, aber ich darf es nicht zugeben. Ich laufe durch den dunklen Wald, Tränen laufen mir über die Wangen. Ich will heim zu meinem Kind. Ich bin schon viel zu lange fort. Ich schreibe ihm ein SMS, ich komme mir vor wie Rotkäppchen, und der böse H. hebt sein Handy nicht ab. Der Text verschwindet von selbst, ich schreibe es nicht noch einmal. Ich gehe ein Stück zurück, es ist endgültig unwegsam geworden. Niemand scheint hier je gewesen zu sein. Ich bin vollkommen alleine. Endlich komme ich aus dem Wald heraus, ich gehe jetzt am Rand einer Wiese entlang, ich sehe ein Haus, auf das ich zugehen kann. Das Gras ist sehr hoch, ich steige über ein paar Zäune. Was will ich eigentlich von ihm? Sicherheiten gibt es keine, Klara, du kannst dir nur selber helfen.
Deine Gegenwart ist angenehm, H. Das hab ich schon oft gehört. Aber ich habe es noch nicht oft gesagt, H. Wird dir das alles zuviel? Nein, aber ich brauche Ruhe. Ich möchte so gern alles glauben, was du sagst, H. Du sagst ohnedies nicht viel. Wenn ich sehe, dass du online warst, macht es mich ein bisschen traurig. Ich schaue nicht mehr nach. Bis jetzt war ich dir treu, Klara. Bis jetzt – also bis vor einer Woche. Serielle Monogamie – auch gut – definieren wir es so. Du würdest in meiner Achtung steigen, wenn du mir eine zweite Frau bringst, Klara. Aber meiner Selbstachtung wird das nicht so gut tun. Glaub ich jedenfalls. Ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wieso bin ich so blind? Ich hatte einmal große Angst vorm Stummwerden. Dabei möchte ich gerne stumm sein. Dann kann ich nichts verraten. Mich nicht, meine Gefühle nicht, mein Kind nicht. Warum hast du mit niemandem darüber geredet, damals? Weil ich nicht konnte. Es ist sinnlos, zu reden. Nachher erinnern sich alle an die Worte, an die Fakten – und ich habe deren Worte nicht mehr unter Kontrolle. Du bist keine gute Mutter, Klara. Ihr habt keine Ahnung. Ihr habt recht. Es gilt immer beides.
Im Wald sammelt eine alte Frau Pilze. Sie hält mich für ihre Tochter. Dann erklärt sie mir, wie ich weiter gehen soll. Ich folge ihr, nicht sehr glücklich über ihre Anweisungen. Ich schreie meine Wut hinaus. Was mache ich falsch? Ich versuche meinen Sohn zu erreichen. Der hebt sein Handy auch nicht ab. Endlich bin ich wieder auf einem festen Weg. Wahrscheinlich führt der in die richtige Richtung. Tatsächlich – früher als ich jetzt denke – stehe ich vor dem Haus. Ich rufe H. noch einmal an, beruhigt, zufrieden, dass ich in meinem Zimmer bin. Ich sag ihm etwas auf die Mobilbox, bemüht um einen leichten Tonfall. Er ruft nicht zurück.
Heute erreiche ich ihn im Büro. Was hast du gestern gemacht, H? Nix. Eben. Nichts ist unwesentlich. Ich verstehe nichts.
*
Schreib mir eine Geschichte über einen Adler, Mama. Die beste Adlergeschichte gibt es schon, Florian, das ist die über den Adler ohne Flügel. Die kenn ich nicht, Mama. Schau, da wächst ein Adler unter lauter Hühnern auf und pickt mit ihnen tagaus tagein die Körner auf dem Hof. Und als er eines Tages einen Adler über sich kreisen sieht, denkt er: Wie schön müsste es sein, fliegen zu können. Aber er versucht es nicht einmal, denn er hält sich ja für ein Huhn.
*
Schreib ein versöhnlicheres Ende, Klara. Das würde ich sehr gerne. Fliegen scheint mir eine sehr angenehme Art sich frei zu bewegen. Im Hof höre ich die Kinder spielen. Meines führt das große Wort. Wenn ihm jemand sagt, es sei aber klein für sein Alter, gibt er eine Standardantwort: „Dafür bin ich aber sehr gescheit!“ So viel Selbstvertrauen erheitert die meisten Erwachsenen. Dabei hat er hundertprozentig recht.
rooby - 20. Dez, 21:51

was genau hält dich bei ihm?
nebenbei, mir gefällt die art wie du schreibst.

fantasia - 21. Dez, 20:00

danke schön ..

und zu deinem komm: das ist das ende-ende eines langen langen texts...

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