bürgerservice ...alltagssatire
In grauer Vorzeit wurden bei uns Reisepässe von der Polizei ausgestellt. Einmal gelang es mir bei einem derartigen Unterfangen meinerseits sogar, mich im aufgelassenen Gefangenentrakt zu verirren. Grundsätzlich musste man lange warten. Freundlich waren die zuständigen Beamten auch nicht immer. Allein – es geht auch anders.
Vorgeschichte: die gelernte Österreicherin schickt ihren Vater zum nunmehr der Magistratsabteilung der Stadt Wien zugeordneten Pass- und Meldeamt, um ihn eruieren zu lassen, welche Unterlagen denn für den Pass eines (=meines) Kindes mitzubringen wären. Heutzutage verreisen ja schon die Noch-Nicht-Einmal-Teenager mit der Schule ins Ausland, aber was soll´s …
Ich erhielt ein Merkblatt mit den Öffnungszeiten und den mitzubringenden Unterlagen. Da auch mein Vater – wohl geprägt durch seinen lebenslangen Umgang mit Behörden – über gewisse Erfahrungswerte verfügt, fand ich auf dem Merkblatt von ihm handschriftlich ergänzt, dass beide Elternpässe mitgebracht werden müssten, sowie die Anwesenheit des Kindes unbedingt erforderlich sei. So weit, so logisch. Und er hatte sich extra persönlich bei einem der zuständigen Beamten erkundigt und nicht etwa nur das Merkblatt genommen.
Nach langer Konsultation meines Terminkalenders unter Berücksichtigung der angegebenen Öffnungszeiten und des kindlichen Stundenplans ergab sich genau ein möglicher Termin: Mittwoch um 15 Uhr im Amtshaus. Der geschiedene Exmann vertraute mir selbstverständlich seinen Reisepass an, die gefällige Schwester erbot sich, das Kind von der Schule zur Behörde zu bringen, und die gestresste Mutter traf bei starkem Schneefall (ok – dafür kann nun wirklich niemand etwas) mit allen gesammelten Unterlagen dort als erste ein.
Gestern, 15 Uhr 01:
Ich: "Guten Tag, ich hätte gerne einen Pass für mein Kind ausstellen lassen! Es wird gleich selbst kommen, aber ich dachte, wir können vielleicht anfangen".
Herr K: "Ich geh´ um halb vier!"
Ich: "Ja, ich weiß, deshalb dachte ich ja, dass wir schon anfangen können."
Herr K: "Kommt das Kind sicher?"
Ich: "Ja, das kommt sicher, hier sind die Unterlagen!"
Herr K: " Außerdem sperrt die Kassa um halb vier zu!"
Ich: "Ja, aber es ist ja erst 15.03, das geht sich doch aus."
Herr K:" Na gut" … Er nimmt die Unterlagen entgegen.
Herr K: "Sind Sie verheiratet?"
Ich: "Nein, aber ich hab den Pass mit."
Herr K:" Ich brauch das Pflegschaftsurteil!"
Ich: "Das steht aber nicht auf Ihrem Merkblatt."
Herr K: "Kennen Sie den Film "Nicht ohne meine Tochter?"
Ich: "Ja, aber, Sie sehen ja, ich hab den Pass des Vaters mit."
Herr K:" Da hätt der Vater genauso gut selbst kommen können."
Ich:" Wenn ich gesagt hätte, dass ich verheiratet bin, hätten wir jetzt kein Problem?"
Herr K: "Also ich kann das nicht machen, da krieg ich Schwierigkeiten mit meiner Vorgesetzten!" Lehnt sich zurück.
Ich greife zum Handy.
15 Uhr 07 "Papa, geh in meine Wohnung, such bitte meine Dokumentenmappe und bring sie zum Amtshaus!"
Herr K: "Des geht si sicha ned aus!"
Ich: "Das werden wir ja sehen".
15 Uhr 08 Auftritt Sohn.
Ich: "Könnten Sie nicht den Pass ausstellen, und ich bringe das Pflegschaftsurteil beim Abholen?"
Herr K: "Nein das kann ich nicht, da leg ich eine Aktenzahl an, und dann kommen´S womöglich nicht."
Ich: "Ich könnte ja auf die Kassa gehen, und bezahlen, dann wissen Sie, dass ich sicher kommen werde!"
Herr K:" Die Kassa braucht die Aktenzahl auch!"
Mein Sohn: "Krieg ich jetzt meinen Pass?"
Die Vorgesetzte tritt auf. Offensichtlich hat sie durch die angelehnte Tür von Anfang an zugehört.
Frau V:"Also – selbst wenn Sie das Pflegschaftsurteil bringen – wahrscheinlich ist es nicht rechtskräftig!"
Ich: "Was heißt nicht rechtskräftig??"
Frau V: "Ja also, waren Sie nachher noch einmal beim Gericht?"
Ich: "Keine Ahnung, das ist ja vier Jahre her!"
Frau V: "Ja, wir brauchen aber ein rechtskräftiges Urteil, das machen die meisten nicht, dass sie da noch einmal zum Gericht gehen - und die Kassa ist auch eine ganz andere Abteilung, die können wir auch nicht dazu bringen, länger zu arbeiten!"
Ich: "Wozu geben Sie überhaupt ein Merkblatt heraus??? Außerdem ist es erst 15 Uhr 13!"
Frau V:" Wir können doch nicht alle Sonderfälle auf dem Merkblatt berücksichtigen!"
Ich:" Das glaub ich schon, aber deshalb war ja mein Vater da und hat sich erkundigt. Dass beide Elternpässe nötig sind, hat ihm da ja auch jemand verraten."
Frau V: "Kommen Sie mit allen Unterlagen und dem Kind halt morgen wieder!"
Ich: "Das geht nicht, da hat er Schule."
Frau V: "Natürlich geht das, das ist ein Amtsweg, da kriegt er frei."
Ich: "Es geht trotzdem nicht!" (Ich muss ihr jetzt nicht auch noch erzählen, dass ich tatsächlich selbst auch noch andere Termine habe, eigene Präsentationen zum Beispiel, Amtsweg hin oder her.)
Frau V: "Ich mach Ihnen einen Vorschlag – wir stellen den Pass heute aus, und Sie holen ihn mit dem Dokument ab!"
Ich: "Ja gern, das hab ich ja schon vorgeschlagen, aber der Herr K. wollte das nicht1"
Frau V: "Also ganz, ganz, ganz ausnahmsweise – weil es ja vielleicht doch unsere Schuld ist, dass Sie das nicht gewusst haben, stellen Sie einmal den Pass aus, Herr K!"
15 Uhr 17.
Auftritt mein Vater. Ich finde das vom Gericht nicht unterfertigte Pflegschaftsurteil und in meiner Spontanausbildung zur Juristin weiß ich sofort – es ist nicht rechtskräftig.
Frau V:" Das hab ich befürchtet!"
Ich: "Ich auch!"
Herr K: "Wollen Sie den Pass gleich bezahlen?"
Ich: "JA!!!"
Ich stürze mit der Aktenzahl zur Kassa. Trotz kaputtem Aufzug bin ich um 15 Uhr 19 dort. Außer mir ist da aber sonst keiner.
15 Uhr 23. Es gelingt mir tatsächlich 79 Euro zu bezahlen. Die Dame wird wahrscheinlich Überstunden aufschreiben müssen, weil sie sich extra für mich noch einmal hinsetzen musste.
15 Uhr 25: Ich komme mit der Zahlungsbestätigung zurück.
15 Uhr 26: Mein Sohn malt seine Unterschrift in seinen zukünftigen Pass.
15 Uhr 27: Wir sehen einander alle an.
Ich: "Und was machen wir jetzt?"
15 Uhr 28: Frau V. rettet die Situation.
Frau V: "Ich werde morgen beim Gericht anrufen. Wenn die mir sagen, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist, muss ich Sie kontaktieren."
Wahrscheinlich will sie mich doch nicht wieder sehen.
Ich nehme alle meine Unterlagen und angle mir den frisch ausgestellten Pass.
Herr K. schweigt.
Frau V. schweigt.
Wir gehen.
Einfach war das nicht.
Vorgeschichte: die gelernte Österreicherin schickt ihren Vater zum nunmehr der Magistratsabteilung der Stadt Wien zugeordneten Pass- und Meldeamt, um ihn eruieren zu lassen, welche Unterlagen denn für den Pass eines (=meines) Kindes mitzubringen wären. Heutzutage verreisen ja schon die Noch-Nicht-Einmal-Teenager mit der Schule ins Ausland, aber was soll´s …
Ich erhielt ein Merkblatt mit den Öffnungszeiten und den mitzubringenden Unterlagen. Da auch mein Vater – wohl geprägt durch seinen lebenslangen Umgang mit Behörden – über gewisse Erfahrungswerte verfügt, fand ich auf dem Merkblatt von ihm handschriftlich ergänzt, dass beide Elternpässe mitgebracht werden müssten, sowie die Anwesenheit des Kindes unbedingt erforderlich sei. So weit, so logisch. Und er hatte sich extra persönlich bei einem der zuständigen Beamten erkundigt und nicht etwa nur das Merkblatt genommen.
Nach langer Konsultation meines Terminkalenders unter Berücksichtigung der angegebenen Öffnungszeiten und des kindlichen Stundenplans ergab sich genau ein möglicher Termin: Mittwoch um 15 Uhr im Amtshaus. Der geschiedene Exmann vertraute mir selbstverständlich seinen Reisepass an, die gefällige Schwester erbot sich, das Kind von der Schule zur Behörde zu bringen, und die gestresste Mutter traf bei starkem Schneefall (ok – dafür kann nun wirklich niemand etwas) mit allen gesammelten Unterlagen dort als erste ein.
Gestern, 15 Uhr 01:
Ich: "Guten Tag, ich hätte gerne einen Pass für mein Kind ausstellen lassen! Es wird gleich selbst kommen, aber ich dachte, wir können vielleicht anfangen".
Herr K: "Ich geh´ um halb vier!"
Ich: "Ja, ich weiß, deshalb dachte ich ja, dass wir schon anfangen können."
Herr K: "Kommt das Kind sicher?"
Ich: "Ja, das kommt sicher, hier sind die Unterlagen!"
Herr K: " Außerdem sperrt die Kassa um halb vier zu!"
Ich: "Ja, aber es ist ja erst 15.03, das geht sich doch aus."
Herr K:" Na gut" … Er nimmt die Unterlagen entgegen.
Herr K: "Sind Sie verheiratet?"
Ich: "Nein, aber ich hab den Pass mit."
Herr K:" Ich brauch das Pflegschaftsurteil!"
Ich: "Das steht aber nicht auf Ihrem Merkblatt."
Herr K: "Kennen Sie den Film "Nicht ohne meine Tochter?"
Ich: "Ja, aber, Sie sehen ja, ich hab den Pass des Vaters mit."
Herr K:" Da hätt der Vater genauso gut selbst kommen können."
Ich:" Wenn ich gesagt hätte, dass ich verheiratet bin, hätten wir jetzt kein Problem?"
Herr K: "Also ich kann das nicht machen, da krieg ich Schwierigkeiten mit meiner Vorgesetzten!" Lehnt sich zurück.
Ich greife zum Handy.
15 Uhr 07 "Papa, geh in meine Wohnung, such bitte meine Dokumentenmappe und bring sie zum Amtshaus!"
Herr K: "Des geht si sicha ned aus!"
Ich: "Das werden wir ja sehen".
15 Uhr 08 Auftritt Sohn.
Ich: "Könnten Sie nicht den Pass ausstellen, und ich bringe das Pflegschaftsurteil beim Abholen?"
Herr K: "Nein das kann ich nicht, da leg ich eine Aktenzahl an, und dann kommen´S womöglich nicht."
Ich: "Ich könnte ja auf die Kassa gehen, und bezahlen, dann wissen Sie, dass ich sicher kommen werde!"
Herr K:" Die Kassa braucht die Aktenzahl auch!"
Mein Sohn: "Krieg ich jetzt meinen Pass?"
Die Vorgesetzte tritt auf. Offensichtlich hat sie durch die angelehnte Tür von Anfang an zugehört.
Frau V:"Also – selbst wenn Sie das Pflegschaftsurteil bringen – wahrscheinlich ist es nicht rechtskräftig!"
Ich: "Was heißt nicht rechtskräftig??"
Frau V: "Ja also, waren Sie nachher noch einmal beim Gericht?"
Ich: "Keine Ahnung, das ist ja vier Jahre her!"
Frau V: "Ja, wir brauchen aber ein rechtskräftiges Urteil, das machen die meisten nicht, dass sie da noch einmal zum Gericht gehen - und die Kassa ist auch eine ganz andere Abteilung, die können wir auch nicht dazu bringen, länger zu arbeiten!"
Ich: "Wozu geben Sie überhaupt ein Merkblatt heraus??? Außerdem ist es erst 15 Uhr 13!"
Frau V:" Wir können doch nicht alle Sonderfälle auf dem Merkblatt berücksichtigen!"
Ich:" Das glaub ich schon, aber deshalb war ja mein Vater da und hat sich erkundigt. Dass beide Elternpässe nötig sind, hat ihm da ja auch jemand verraten."
Frau V: "Kommen Sie mit allen Unterlagen und dem Kind halt morgen wieder!"
Ich: "Das geht nicht, da hat er Schule."
Frau V: "Natürlich geht das, das ist ein Amtsweg, da kriegt er frei."
Ich: "Es geht trotzdem nicht!" (Ich muss ihr jetzt nicht auch noch erzählen, dass ich tatsächlich selbst auch noch andere Termine habe, eigene Präsentationen zum Beispiel, Amtsweg hin oder her.)
Frau V: "Ich mach Ihnen einen Vorschlag – wir stellen den Pass heute aus, und Sie holen ihn mit dem Dokument ab!"
Ich: "Ja gern, das hab ich ja schon vorgeschlagen, aber der Herr K. wollte das nicht1"
Frau V: "Also ganz, ganz, ganz ausnahmsweise – weil es ja vielleicht doch unsere Schuld ist, dass Sie das nicht gewusst haben, stellen Sie einmal den Pass aus, Herr K!"
15 Uhr 17.
Auftritt mein Vater. Ich finde das vom Gericht nicht unterfertigte Pflegschaftsurteil und in meiner Spontanausbildung zur Juristin weiß ich sofort – es ist nicht rechtskräftig.
Frau V:" Das hab ich befürchtet!"
Ich: "Ich auch!"
Herr K: "Wollen Sie den Pass gleich bezahlen?"
Ich: "JA!!!"
Ich stürze mit der Aktenzahl zur Kassa. Trotz kaputtem Aufzug bin ich um 15 Uhr 19 dort. Außer mir ist da aber sonst keiner.
15 Uhr 23. Es gelingt mir tatsächlich 79 Euro zu bezahlen. Die Dame wird wahrscheinlich Überstunden aufschreiben müssen, weil sie sich extra für mich noch einmal hinsetzen musste.
15 Uhr 25: Ich komme mit der Zahlungsbestätigung zurück.
15 Uhr 26: Mein Sohn malt seine Unterschrift in seinen zukünftigen Pass.
15 Uhr 27: Wir sehen einander alle an.
Ich: "Und was machen wir jetzt?"
15 Uhr 28: Frau V. rettet die Situation.
Frau V: "Ich werde morgen beim Gericht anrufen. Wenn die mir sagen, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist, muss ich Sie kontaktieren."
Wahrscheinlich will sie mich doch nicht wieder sehen.
Ich nehme alle meine Unterlagen und angle mir den frisch ausgestellten Pass.
Herr K. schweigt.
Frau V. schweigt.
Wir gehen.
Einfach war das nicht.
fantasia - 27. Jan, 16:01